SonntagsZeitung 8. Mai 2011.
Schieferbox mit Ausblick
Kunz + Amrein Architekten haben ein 40-jähriges Familienhaus in einen Ausguck auf die nahe Flusslandschaft verwandelt. Von Anna Schindler
Das Einfamilienhaus in Willisau LU liegt ausserhalb des Grafenstädtchens an der Strasse zum Ostergau. Diese Wasserlandschaft mit 17 fischreichen Weihern steht unter Naturschutz und ist ein beliebtes Naherholungsgebiet. Das Einfamilienhaus, das Kunz + Amrein Architekten aus Lenzburg zum Wohnhaus für zwei Generationen erweitert haben, findet sich auf einem sanft abfallenden Landstreifen zwischen der Strasse und dem Flüsschen Rot. Es wurde 1972 als eingeschossiges Arbeiterhaus erbaut und bereits in den Achtzigerjahren um einen zweigeschossigen Anbau erweitert, um der sechsköpfigen Familie genügend Raum zu bieten. Jetzt ist dieser Anbau einem zweiten Eigenheim gewichen, das sich senkrecht zum Altbau zwischen das Mutterhaus und die Nachbarn schiebt. Naturbelassene Eichendielen ziehen sich durch alle Räume Die Architekten haben den ehemaligen Anbau bis auf die Kellermauern abgerissen, darüber eine Betonplatte als Fundament gelegt und darauf einen zweigeschossigen Holzbau mit einem flachen Pultdach errichtet. Dieser lehnt sich zwar an das bestehende Haus an, will aber als eigenständiges Objekt wahrgenommen werden. Das macht die zu den Nachbarn hin abgeschrägte Nordfassade ebenso deutlich wie die von aussen kaum wahrnehmbare Neigung des Dachs. Auch die dunkle Aussenhaut aus Schieferschindeln, in der die Fensteröffnungen mit dünnen Aluminiumprofilen gerahmt sind, spricht eine andere Sprache als der zartrosa Verputz des Altbaus. Die dünnen Natursteinplatten weisen auf die Leichtbauweise des Neubaus hin. Zugleich verleiht die Schieferhülle der kantigen Box Lebendigkeit.
Betreten wird der Neubau über eine gedeckte Rampe, die mit ein paar Stufen den Höhenunterschied vom Vorplatz zum rund 80 Zentimeter aus der Erde ragenden Betonsockel überwindet. Darin befinden sich die ursprünglichen Kellerräume und ein Atelierbereich, der Richtung Flussufer aus dem Terrain herauswächst und über einen Ausgang zum Garten verfügt. Dieses Sockelgeschoss bildet den Übergang zum bestehenden Haus. Genutzt wird es ebenso wie der Garten von den Eltern der Bauherrin was ein Grund war, den Aussenraum desNeubaus in der Höhe anzulegen, als Terrasse mit Ausblick. Im Erdgeschoss des neuen Hauses wird gearbeitet und geschlafen. Die Tagesbereiche liegen eine Ebene höher. Die untere Etage gliedert sich in ein Arbeitszimmer, einen grosszügigen Dielenbereich, ein Zimmer an der abgeschrägten Nordfront und einen grosszü gigen Elternbereich mit Badezimmer und Ankleide am Kopf des trapezförmigen Grundrisses. Breite, naturbelassene Eichendielen ziehen sich durch alle Räume. Das Badezimmer steht zum Schlafzimmer hin offen; statt einer Schiebetüre bildet eine frei stehende Badewanne das Scharnier zwischen Waschund Schlafbereich.
Zum Schutz der intimen Atmosphäre sind die Fenster als dreiteiliges Oberlichtband hoch in den Aussenwänden angebracht; der Panoramaausguck liegt dagegen auf Kniehöhe, damit der Blick auf die Flusslandschaft vom Bett aus gewährleistet ist. Im Sommer wird die Veranda zum Aussenzimmer Wohnliche Stimmung schaffen auch die Farben: Ein sattes, dunkles Gelb tritt in Ankleide und Garderobe auf, die Treppenwand ist in Olivgrün gehalten. Sie ist das Schmuckstück des Hauses: Künstlerin Serena Amrein aus Darmstadt, die Tochter des Architekten, hat sie mit einem Muster aus kreisrunden Öffnungen versehen. Das weckt Assoziationen zu einem Lochstreifen ebenso wie zu einer abstrakten Partitur. Am Ende der Treppe steht man im Obergeschoss, einem luftigen, hellen Raum, dessen leicht geneigtes Pultdach die Decke über den Köpfen höher erscheinen lässt. Transparenz schafft eine mit Oberlicht versehene Loggia, die sich um die Südostecke des Grundrisses zieht und rund anderthalb Meter über das Untergeschoss hinausragt. Raumhohe Glastüren trennen diese scheinbar schwebende Veranda vom inneren Wohnbereich, machen sie im Sommer zum zusätzlichen Aussenzimmer und im Winter zur Lichtorgel. Eine offene Küche in warmem Bordeauxrot bildet die dunkle Rückwand des Essund Wohnbereichs, dahinter verbirgt sich nochmals ein Zimmer. Ausser dem geölten Eichenboden deutet in den Innenräumen nichts auf den Holzbau hin: Wände und Decken sind mit Weissputz verkleidet, die Dachunterseite der Loggia silbern gestrichen, die Fensterrahmen ebenso wie die Türen in warmem Grau gehalten. Trotzdem prägt eine leichte, natürliche Atmosphäre das Haus. Mit Blick auf den Fluss und die Weiden Richtung Weiherlandschaft lässt es sich hier auch in relativ dichter Nachbarschaft gänzlich ungestört leben.
PDF
Kunz + Amrein Architekten haben ein 40-jähriges Familienhaus in einen Ausguck auf die nahe Flusslandschaft verwandelt. Von Anna Schindler
Das Einfamilienhaus in Willisau LU liegt ausserhalb des Grafenstädtchens an der Strasse zum Ostergau. Diese Wasserlandschaft mit 17 fischreichen Weihern steht unter Naturschutz und ist ein beliebtes Naherholungsgebiet. Das Einfamilienhaus, das Kunz + Amrein Architekten aus Lenzburg zum Wohnhaus für zwei Generationen erweitert haben, findet sich auf einem sanft abfallenden Landstreifen zwischen der Strasse und dem Flüsschen Rot. Es wurde 1972 als eingeschossiges Arbeiterhaus erbaut und bereits in den Achtzigerjahren um einen zweigeschossigen Anbau erweitert, um der sechsköpfigen Familie genügend Raum zu bieten. Jetzt ist dieser Anbau einem zweiten Eigenheim gewichen, das sich senkrecht zum Altbau zwischen das Mutterhaus und die Nachbarn schiebt. Naturbelassene Eichendielen ziehen sich durch alle Räume Die Architekten haben den ehemaligen Anbau bis auf die Kellermauern abgerissen, darüber eine Betonplatte als Fundament gelegt und darauf einen zweigeschossigen Holzbau mit einem flachen Pultdach errichtet. Dieser lehnt sich zwar an das bestehende Haus an, will aber als eigenständiges Objekt wahrgenommen werden. Das macht die zu den Nachbarn hin abgeschrägte Nordfassade ebenso deutlich wie die von aussen kaum wahrnehmbare Neigung des Dachs. Auch die dunkle Aussenhaut aus Schieferschindeln, in der die Fensteröffnungen mit dünnen Aluminiumprofilen gerahmt sind, spricht eine andere Sprache als der zartrosa Verputz des Altbaus. Die dünnen Natursteinplatten weisen auf die Leichtbauweise des Neubaus hin. Zugleich verleiht die Schieferhülle der kantigen Box Lebendigkeit.
Betreten wird der Neubau über eine gedeckte Rampe, die mit ein paar Stufen den Höhenunterschied vom Vorplatz zum rund 80 Zentimeter aus der Erde ragenden Betonsockel überwindet. Darin befinden sich die ursprünglichen Kellerräume und ein Atelierbereich, der Richtung Flussufer aus dem Terrain herauswächst und über einen Ausgang zum Garten verfügt. Dieses Sockelgeschoss bildet den Übergang zum bestehenden Haus. Genutzt wird es ebenso wie der Garten von den Eltern der Bauherrin was ein Grund war, den Aussenraum desNeubaus in der Höhe anzulegen, als Terrasse mit Ausblick. Im Erdgeschoss des neuen Hauses wird gearbeitet und geschlafen. Die Tagesbereiche liegen eine Ebene höher. Die untere Etage gliedert sich in ein Arbeitszimmer, einen grosszügigen Dielenbereich, ein Zimmer an der abgeschrägten Nordfront und einen grosszü gigen Elternbereich mit Badezimmer und Ankleide am Kopf des trapezförmigen Grundrisses. Breite, naturbelassene Eichendielen ziehen sich durch alle Räume. Das Badezimmer steht zum Schlafzimmer hin offen; statt einer Schiebetüre bildet eine frei stehende Badewanne das Scharnier zwischen Waschund Schlafbereich.
Zum Schutz der intimen Atmosphäre sind die Fenster als dreiteiliges Oberlichtband hoch in den Aussenwänden angebracht; der Panoramaausguck liegt dagegen auf Kniehöhe, damit der Blick auf die Flusslandschaft vom Bett aus gewährleistet ist. Im Sommer wird die Veranda zum Aussenzimmer Wohnliche Stimmung schaffen auch die Farben: Ein sattes, dunkles Gelb tritt in Ankleide und Garderobe auf, die Treppenwand ist in Olivgrün gehalten. Sie ist das Schmuckstück des Hauses: Künstlerin Serena Amrein aus Darmstadt, die Tochter des Architekten, hat sie mit einem Muster aus kreisrunden Öffnungen versehen. Das weckt Assoziationen zu einem Lochstreifen ebenso wie zu einer abstrakten Partitur. Am Ende der Treppe steht man im Obergeschoss, einem luftigen, hellen Raum, dessen leicht geneigtes Pultdach die Decke über den Köpfen höher erscheinen lässt. Transparenz schafft eine mit Oberlicht versehene Loggia, die sich um die Südostecke des Grundrisses zieht und rund anderthalb Meter über das Untergeschoss hinausragt. Raumhohe Glastüren trennen diese scheinbar schwebende Veranda vom inneren Wohnbereich, machen sie im Sommer zum zusätzlichen Aussenzimmer und im Winter zur Lichtorgel. Eine offene Küche in warmem Bordeauxrot bildet die dunkle Rückwand des Essund Wohnbereichs, dahinter verbirgt sich nochmals ein Zimmer. Ausser dem geölten Eichenboden deutet in den Innenräumen nichts auf den Holzbau hin: Wände und Decken sind mit Weissputz verkleidet, die Dachunterseite der Loggia silbern gestrichen, die Fensterrahmen ebenso wie die Türen in warmem Grau gehalten. Trotzdem prägt eine leichte, natürliche Atmosphäre das Haus. Mit Blick auf den Fluss und die Weiden Richtung Weiherlandschaft lässt es sich hier auch in relativ dichter Nachbarschaft gänzlich ungestört leben.